Die neue Realität: Wenn Fake und Fakt verschwimmen
Es ist so weit. Wir leben in einer Zeit, in der man nicht mehr sicher sein kann, ob ein Video echt ist.
Sora 2, der Videogenerator von OpenAI, zaubert Szenen, die so realistisch sind, dass sie problemlos als Nachrichtensendung durchgehen könnten. Menschen, Stimmen, Umgebungen – alles wirkt echt. Das Wasserzeichen lässt sich mit Tools perfekt entfernen. Und ChatGPT? Verfasst Texte, die klingen, als kämen sie aus einer seriösen Redaktion.
Die Folge: Der Ruf nach Regulierung wird lauter. Politiker, Medien und Tech-Kritiker fordern Einschränkungen, Gesetze, Kennzeichnungen. Aber ist das wirklich der richtige Weg? Oder versuchen wir hier, mit Bürokratie eine technologische Entwicklung einzufangen, die längst in vollem Galopp ist?
KI ist nicht das Problem – sondern der Mensch
Künstliche Intelligenz an sich ist neutral.
Sie ist kein Lügner, kein Manipulator, kein Heilsbringer.
Sie ist ein Werkzeug. Und wie bei jedem Werkzeug hängt alles davon ab, wer es nutzt und wofür.
Die echten Gefahren entstehen dort, wo Menschen bewusst täuschen. Wenn also jemand ein KI-Video nutzt, um eine politische Botschaft zu pushen. Oder wenn ein vermeintlicher Nachrichtenkanal auf Social Media „Breaking News“ verbreitet, die nie stattgefunden haben.
Das Problem liegt also nicht in der Technologie, sondern im Missbrauch. Und genau hier wird die Kennzeichnungspflicht für KI-Inhalte interessant.
Warum Kennzeichnung sinnvoll – und technisch machbar ist
Bei Bildern und Videos ist die Lage klar:
Nahezu alle großen Generatoren – von Midjourney über DALL·E bis Runway und Sora – hinterlassen inzwischen digitale Wasserzeichen oder „Fingerabdrücke“. Sie sind für das menschliche Auge unsichtbar, können aber durch Software erkannt werden. Das ist kein Science Fiction, sondern bereits Realität.
Ein verpflichtendes System, bei dem Social-Media-Plattformen solche Metadaten prüfen und bei Bedarf einblenden („Dieser Inhalt wurde mit KI erstellt“), wäre also technisch absolut machbar.
Das Problem ist nicht die Technologie – es ist der Wille.
Denn Plattformen verdienen an Reichweite.
Und Fakes erzeugen nun mal Klicks, Kommentare und Empörung – die Währung des Internets.
Schwieriger wird’s bei Texten
Texte sind trickreicher. Ein KI-Text besteht aus denselben Buchstaben wie jeder andere. Er hat keine wirklich unsichtbare Signatur.
Man kann zwar stilistische Analysen durchführen, Satzlängen und Wortmuster vergleichen – aber das ist alles andere als zuverlässig. Vor allem dann, wenn Menschen KI-Texte leicht überarbeiten. In meinem Test hat JEDER Service versagt, der verspricht KI-Texte als solche zu erkennen. Nicht einmal der berühmte Gedankenstrich, den ChatGPT gerne verwendet, ist ein Signal. Leute (wie ich auch), die gerne und viel mit Texten arbeiten, verwenden ihn gerne als Stilmittel.
Hier bleibt nur eines: kritisches Denken.
- Wer ist die Quelle?
- Ist es ein bekanntes, verifiziertes Medium?
- Gibt es Belege oder Quellenangaben?
- Ist der Text auffällig emotional oder manipulativ formuliert?
Das sind Fragen, die jede*r sich stellen sollte – egal ob KI im Spiel ist oder nicht.
Soziale Medien müssen verpflichtend Verantwortung übernehmen
Wir brauchen keine totale Überwachung von Inhalten, sondern Transparenz. Wenn KI im Spiel ist, soll das sichtbar sein – nicht als Warnung, sondern als Information.
Stell dir vor, du siehst ein beeindruckendes Video auf Instagram, das angeblich ein Erdbeben in Salzburg zeigt. Die Kommentare explodieren, Medien greifen es auf, Panik breitet sich aus.
Und dabei war’s nur ein perfekt erzeugter Clip von Sora 2.
Eine einfache Kennzeichnung – „Erstellt mit KI“ – hätte gereicht, um Missverständnisse zu verhindern. Und die MUSS verpflichtend sein und nicht vom User freiwillig angehakt werden können.
Soziale Medien tragen hier eine moralische und gesellschaftliche Verantwortung. Sie sind die Verteiler, also müssen sie auch mithelfen, Ordnung in den Informationsfluss zu bringen.
Und nein: Das ist keine Zensur. Es ist Aufklärung.
Regulierung? Ja, aber mit Maß
Natürlich braucht es Regeln. Aber bitte keine panischen Schnellschüsse.
Ein generelles Verbot oder starre Einschränkungen würden Innovation ersticken, ohne Missbrauch wirklich zu verhindern.
Was wir brauchen, sind kluge Rahmenbedingungen:
- Verpflichtende Kennzeichnung für visuelle KI-Inhalte auf großen Plattformen.
- Klare Richtlinien für kommerzielle Nutzung (z. B. Werbung, Journalismus).
- Aufklärungskampagnen für Konsument*innen, wie man Fakes erkennt.
- Transparenzpflicht für KI-Anbieter, welche Daten sie verwenden.
Das ist kein Misstrauen gegenüber der Technik, sondern ein Schutzmechanismus für die Gesellschaft.
Verantwortung statt Verbote
Verbote lösen selten Probleme. Sie verlagern sie nur.
Wer KI ernsthaft verbieten oder drastisch einschränken will, verkennt ihre Rolle in Wirtschaft, Bildung und Forschung. KI ist längst Teil unseres Alltags – vom Smartphone bis zum Auto. Das Ziel sollte daher nicht Kontrolle, sondern Kompetenz sein.
Wenn wir lernen, KI richtig zu verstehen, verliert sie ihren Schrecken. Dann erkennen wir auch schneller, wann jemand sie missbraucht.
Oder anders gesagt: Wir brauchen keine KI-Polizei.
Wir brauchen digitale Mündigkeit.
Der Selbsttest: Erkennst du den Unterschied?
Mach ein kleines Experiment: Lies dir heute drei zufällige Posts auf Social Media durch. Schau dir ein Video an, das viral geht.
Frag dich:
- Könnte das echt sein?
- Wer profitiert davon, wenn ich’s glaube?
- Gibt’s Quellen, die das bestätigen?
Wenn du auch nur bei einem davon unsicher wirst – willkommen in der neuen Realität. Und genau deshalb ist die Kennzeichnung von KI-Inhalten so wichtig: Sie gibt uns Orientierung in einer Welt, in der der Begriff „echt“ langsam seine Bedeutung verliert.
Aufklärung ist der beste Filter
Die Technik entwickelt sich weiter, egal was wir beschließen. Aber wir können entscheiden, wie wir damit umgehen.
Kennzeichnung von KI-Inhalten ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit – so wie Zutatenlisten auf Lebensmitteln. Niemand zwingt dich, etwas nicht zu konsumieren. Aber du hast das Recht zu wissen, was du konsumierst.
Und genau das sollte auch für Informationen gelten.
Wenn wir KI-Inhalte klar kennzeichnen, fördern wir Vertrauen – nicht Misstrauen. Wir schützen nicht nur uns selbst, sondern auch jene, die glauben wollen, was sie sehen.
Wer sich informieren und prüfen will, ob ein Bild, Video oder Artikel echt ist, findet übrigens eine hervorragende Quelle:
mimikama.org – die österreichische Plattform für Faktenchecks, Fake-Prüfung und Aufklärung im Netz.
Eine Pflichtlektüre für alle, die wissen wollen, was wirklich echt ist.


