2025 ist das Jahr, in dem Künstliche Intelligenz endgültig im Gerichtssaal angekommen ist.
Nicht als Zeuge, sondern als Angeklagte.
Und ehrlich: Das war absehbar. Jahrelang wurde KI gefeiert, ausprobiert, integriert – oft ohne sich groß Gedanken über die rechtliche Seite zu machen. Jetzt holen uns die Konsequenzen ein.
Die Verfahren laufen, Urteile stehen noch aus, aber die Richtung ist klar: Wer KI falsch oder unbedacht einsetzt, wird zahlen. Und das nicht zu knapp.
Zeit also, hinzusehen – und zu handeln.
Der rechtliche Rahmen: KI ist kein rechtsfreier Raum
Europa hat mit dem EU AI Act eine der strengsten KI-Regelungen der Welt geschaffen.
Sie unterscheidet zwischen risikoarmen, risikoreichen und verbotenen KI-Systemen.
Für Unternehmen bedeutet das: Dokumentationspflichten, Transparenz, Nachweispflicht – und im Ernstfall Bußgelder, die weh tun.
Doch das ist nur die eine Seite.
Parallel gilt weiterhin das Datenschutz- und Urheberrecht. Wer also mit personenbezogenen Daten arbeitet oder fremde Inhalte in Trainingsdaten einbaut, bewegt sich schnell in einer Grauzone. Und die wird gerade enger.
Drei Verfahren, die zeigen, wohin die Reise geht
Noch gibt es kaum abgeschlossene Urteile – aber etliche Verfahren, die als Blaupause dienen werden. Hier drei besonders aufschlussreiche Fälle, in anderer Reihenfolge erzählt, als sie meist zitiert werden.
1. Wenn Social Media zum Trainingslager wird
Ein europäisches Unternehmen nutzte öffentliche Social-Media-Beiträge, um eine KI zu trainieren, die Stimmungen und Kaufabsichten erkennen sollte.
Das Problem: Die Daten stammten von echten Menschen – mit echten Profilen, echten Kommentaren, echten Emotionen.
„Öffentlich“ heißt aber nicht „frei verwendbar“.
Das Gericht stellte schnell klar: Nur weil ein Post sichtbar ist, darf er noch lange nicht für maschinelles Lernen genutzt werden.
Der Vorwurf lautet: unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten.
Das Verfahren läuft noch, aber die Signalwirkung ist gewaltig.
2. Verbraucherzentrale NRW vs. Meta
Ein Klassiker, der 2025 richtig Fahrt aufgenommen hat.
Meta wollte Daten von Facebook- und Instagram-Nutzer:innen für eigene KI-Modelle verwenden – angeblich anonymisiert.
Doch die Verbraucherzentrale NRW sah das anders. Sie klagte wegen fehlender Transparenz und möglicher Datenschutzverstöße.
Interessant daran: Es geht hier nicht um irgendeine Start-up-Bastel-KI, sondern um einen der größten Technologiekonzerne der Welt. Wenn selbst Meta ins Schwitzen kommt, sollten Mittelständler zweimal nachdenken, bevor sie Kundendaten in ihre Prompts kippen.
3. Urheberrecht, Diskriminierung und Haftung
Ein weiteres Verfahren beschäftigt sich mit generativen Systemen, die Bilder und Texte erzeugen – und dabei geschützte Werke oder diskriminierende Muster reproduzieren.
Das Thema Urheberrecht ist hier nur der Anfang.
Denn die Frage lautet: Wer haftet, wenn KI Mist baut?
Wenn ein Bildgenerator etwa einen Markencharakter nachahmt oder eine KI Bewerber:innen automatisch aussortiert, weil der Trainingsdatensatz Vorurteile enthält – wer trägt die Verantwortung?
Der Anbieter? Der Nutzer? Oder niemand?
Genau diese Unklarheit macht die Verfahren so brisant. Die Richter wollen Präzedenzfälle schaffen. Und sie werden kommen – früher oder später.
Warum gerade jetzt so gefährlich
Noch gibt es Spielraum. Noch.
Aber mit jeder neuen Klage wird deutlicher: Das Experimentier-Zeitalter ist vorbei.
Früher hieß es: „Probier mal aus, was geht.“
Heute heißt es: „Beweise, dass du darfst.“
KI-Systeme analysieren, entscheiden, empfehlen. Das ist mächtig – aber auch riskant.
Denn sobald ein Algorithmus in den Geschäftsprozess eingreift, haftest du als Unternehmer:in. Ob bewusst oder unbewusst.
Ein Beispiel:
Du nutzt ein Text-KI-Tool für dein Marketing. Es übernimmt einen Absatz aus einem geschützten Werk – du merkst es nicht.
Ein Jahr später flattert die Abmahnung ins Haus.
Oder dein HR-System bewertet Bewerbungen automatisiert. Klingt effizient, bis sich jemand wegen Diskriminierung beschwert.
Kurz gesagt: KI kann deine Produktivität verdoppeln – oder dein Risiko verdreifachen.
Die größten Stolperfallen
1. Daten sind keine Selbstbedienung
Viele KI-Modelle lernen aus frei zugänglichen Inhalten. Aber frei heißt nicht kostenlos.
Fotos, Texte, Kommentare – alles hat Urheber:innen.
Sobald du diese Daten ohne Erlaubnis weiterverarbeitest, ist das ein Eingriff in deren Rechte.
2. Fehlende Transparenz
Wenn dein Unternehmen KI einsetzt, musst du wissen, wie sie arbeitet.
Black-Box-Systeme, die Entscheidungen treffen, ohne nachvollziehbare Logik?
Gefährlich. Denn bei Problemen stehst du in der Beweispflicht.
3. Haftung und Verantwortung
Viele Unternehmer glauben, die Verantwortung liege beim Anbieter.
Falsch. Wenn du ein KI-Tool aktiv in deinem Betrieb einsetzt, bist du Mitverantwortliche:r.
„Wir wussten nicht, dass das Tool so entscheidet“ schützt vor Gericht niemanden.
4. Zu spätes Handeln
Ein häufiger Fehler: Warten, bis etwas passiert.
Aber genau das ist teuer.
Sobald eine Aufsichtsbehörde anklopft, kannst du nichts mehr nachholen.
Saftige Strafen – und das ist wörtlich gemeint
Die neuen europäischen Richtlinien sehen Bußgelder in Millionenhöhe vor.
Bis zu 35 Millionen Euro oder 7 Prozent des Jahresumsatzes – je nachdem, was höher ist.
Dazu kommen mögliche Zivilklagen von Betroffenen, Vertragsstrafen, Schadensersatzforderungen und Reputationsverlust.
Und das betrifft nicht nur große Konzerne.
Gerade kleine und mittlere Unternehmen stehen unter besonderer Beobachtung, weil sie oft ohne Rechtsabteilung arbeiten und sich auf „das wird schon passen“ verlassen.
Doch das tut es nicht mehr.
Was du jetzt tun solltest
Zeit, konkret zu werden. Keine Theorie, sondern Praxis.
- Auditiere deine Daten.
Prüfe, woher deine Trainings- oder Inputdaten stammen. Gibt es Rechte, Lizenzen, Einwilligungen? - Führe KI-Governance ein.
Bestimme klar, wer für welches System verantwortlich ist. Lege Richtlinien fest, wer KI einsetzen darf – und wofür. - Schaffe Transparenz.
Dokumentiere, welche Tools du nutzt, welche Daten sie verarbeiten, welche Ergebnisse sie liefern. - Schule dein Team.
Jede:r, der KI einsetzt, muss Grundwissen zu Datenschutz, Urheberrecht und Haftung haben. - Überprüfe deine Verträge.
Enthalten sie Haftungsklauseln, falls KI-Outputs Probleme verursachen? Wenn nicht, wird’s Zeit. - Teste kritisch.
Lass juristische Szenarien simulieren. Lieber jetzt die Schwachstellen finden als im Verfahren. - Rechne mit Kontrolle.
Behörden haben angekündigt, KI-Systeme künftig gezielt zu prüfen – ähnlich wie Datenschutzprüfungen.
Warum das Thema jeden betrifft
Du denkst, das betrifft nur Tech-Konzerne?
Dann denk an deine letzte Marketingkampagne.
An deinen Blogtext, dein automatisiertes E-Mail-System, dein Bild-Generator-Prompt.
Überall steckt KI drin. Und überall kann’s rechtlich krachen.
Gerade in kreativen Branchen ist die Gefahr groß.
Ein generiertes Bild ähnelt einem bestehenden Foto – schon hast du eine Urheberrechtsverletzung.
Ein Chatbot speichert personenbezogene Daten – schon droht ein Datenschutzproblem.
Ein Prompt enthält Kundendaten – schon bist du im falschen Paragrafen.
KI ist kein Feind, aber sie ist auch kein Freifahrtschein.
Die Zeit der Ausreden ist vorbei
„Wir wussten das nicht.“
„Das war nur ein Test.“
„Das hat die KI gemacht.“
All das zieht nicht mehr.
Gerichte sehen KI als Werkzeug – nicht als eigenständige Entität.
Das heißt: Die Verantwortung bleibt immer beim Menschen.
Wer heute KI einsetzt, muss Verantwortung übernehmen – technisch, organisatorisch und juristisch.
Blick nach vorn
2025 ist das Jahr der juristischen Weichenstellung.
Noch geht es um Einzelfälle, doch sie werden Standards setzen.
So wie einst die ersten Datenschutz-Urteile den Umgang mit Kundendaten verändert haben, wird jetzt der Umgang mit KI-Systemen definiert.
Und die Zeichen stehen eindeutig: Mehr Transparenz, mehr Verantwortung, weniger Wildwuchs.
Wer früh reagiert, hat einen Vorteil.
Wer wartet, bekommt Besuch – von Anwälten, Behörden oder der Presse.
KI nutzen, aber richtig
KI ist gekommen, um zu bleiben.
Aber wer sie nutzt, muss sie verstehen – nicht nur technisch, sondern rechtlich.
Mein Rat:
Mach KI zu deinem Verbündeten, nicht zu deinem Risiko.
Schaffe klare Strukturen, sichere deine Daten ab, halte dich an Transparenz- und Dokumentationspflichten.
Denn am Ende entscheidet nicht, ob du KI nutzt – sondern wie.
Und wenn du glaubst, das betrifft dich nicht:
Dann erinnere dich an Meta, an die Social-Media-Daten, an die offenen Verfahren.
Das kann morgen dein Unternehmen sein.
Also: Tu heute was, bevor dich morgen jemand verklagt.


