Es gibt Dinge, die triggern. Bei mir ist’s der Gedankenstrich. Nicht, weil ich ihn nicht mag – im Gegenteil. Ich liebe ihn. Als Grafiker sowieso. Aber sobald er in einem Text auftaucht, kommt reflexartig: „Ha! Das ist KI. Mensch schreibt sowas nicht.“
Ganz ehrlich? Da krieg ich Pickel.
Denn dieser Strich – das längere „–“, nicht der kurze „-“ – begleitet mich schon seit Anbeginn meiner beruflichen Tätigkeit. Er gehört zum typografischen Grundwerkzeug. So wie der Weißraum in einem Layout. Oder Luft zum Atmen.
Der feine Unterschied: Bindestrich vs. Gedankenstrich
Viele werfen sie durcheinander. Dabei könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Der Bindestrich – kurz, pragmatisch, verbindet Wörter. Der Gedankenstrich? Elegant, eigenständig, macht eine Pause.
Stell dir vor, du erzählst was, willst kurz ausschweifen – und dann zurück zum Punkt. Genau dafür ist der Gedankenstrich gemacht. Er denkt mit. Er führt den Leser. Er unterbricht, aber charmant.
Er steht frei, mit Abstand. Keine Kuschelei mit anderen Wörtern. Davor und danach je ein Leerzeichen. Ausnahme: bei Zahlen oder Minusgraden. Da darf er kuscheln – aber nur kurz.
Kein KI-Special Effect, sondern Typo-Klassiker
Wer glaubt, der Gedankenstrich sei ein neues Stilmittel aus der Prompt-Matrix, liegt daneben. Er hat mehr Geschichte als viele Schriftarten. Schon im Bleisatz gab’s verschiedene Striche für verschiedene Zwecke. Der Gedankenstrich – offiziell Halbgeviertstrich – war da längst etabliert. Nicht als Deko, sondern als Werkzeug.
In der Schriftsatzlehre hatte jedes Zeichen seine Aufgabe. Der Gedankenstrich trennte, betonte, leitete über. Er war der Anstandswauwau im Satzgefüge. Stilvoll, aber nie aufdringlich.
Heute? Ist er digitaler Underdog und Opfer von Vorurteilen.
„Gedankenstrich = KI“ – echt jetzt?
Ich weiß, worauf viele hinauswollen. Der Gedankenstrich taucht auffällig oft in KI-Texten auf. Weil er lesefreundlich ist. Weil er Struktur gibt. Weil Maschinen gelernt haben, dass wir Menschen so schreiben, wenn wir’s gut machen. Ironie pur.
Nur: Das macht ihn nicht verdächtig – das macht ihn beliebt.
Ich setze ihn nicht, weil GPT es auch tut. Ich setze ihn, weil er Sinn macht. Er schafft Tempo. Er bringt Rhythmus. Er erlaubt Zwischentöne. Kurz: Er macht Texte lebendig.
Und wenn alle den Strich jetzt meiden, weil er nach „Maschine“ riecht? Dann fehlt am Ende was. Wie Käse im Risotto.
Zwischen mir, GPT und der Tastatur
Ich hab das ja nie verheimlicht: Viele meiner wirren Rohtexte landen erstmal bei ChatGPT. Einfach raus damit. Gedanken rein, Punkt vergessen, Grammatik egal. Und was kommt zurück? Schön. Glatt. Korrekt. Rechtschreibung? Passt. Grammatik? Auch. Und plötzlich sind da diese Gedankenstriche, die alles eleganter klingen lassen.
Aber wehe, du willst das Ding selbst tippen! Auf der Tastatur ist der Gedankenstrich nämlich gut versteckt. Auf dem Mac geht’s mit Alt + Bindestrich, auf Windows mit Alt + 0150 (Ziffernblock, wohlgemerkt). Kein Wunder also, dass viele ihn nicht nutzen – oder durch zwei Minuszeichen ersetzen. Sieht halt aus wie Möchtegern-Typo. Dabei ist es nur ein kleiner Shortcut, der deinen Text sofort professioneller wirken lässt.
Der Strich hat Stil
Für mich ist der Gedankenstrich wie ein Design-Element im Text. Kein Schnörkel, sondern Struktur. Kein Gimmick, sondern gutes Handwerk. Er sagt: Da passiert was. Jetzt kurz Luft holen. Jetzt wird’s spannend.
Er ersetzt oft das Komma – aber mit mehr Nachdruck. Oder Klammern – aber ohne die formale Steifheit. Er kann auch mal eine wörtliche Rede abbrechen. Oder in einem Satz das Drama steigern.
Mach das mal mit einem Bindestrich. Keine Chance.
Warum du ihn ruhig öfter setzen darfst
Weil er hilft, wenn du mehr sagen willst als nur „Satz, Punkt, weiter“. Weil er Platz schafft für Nebenbemerkungen, für Gedanken, für Stil. Und ja – auch für Persönlichkeit.
Wenn du Texte schreibst, die nicht nach Formular klingen sollen, ist der Gedankenstrich dein Freund. Nicht dein Feind.
Nutze ihn nicht inflationär (so wie in diesem Beitrag – hier absichtlich), aber bewusst. Er zieht den Blick – und gibt deinem Text diesen subtilen „Da hat jemand mitgedacht“-Vibe.
Kein Maschinen-Merkmal, sondern Menschensache
Der Gedankenstrich ist kein Beweis für KI, sondern für guten Stil. Wer ihn zu setzen weiß, zeigt Gefühl für Sprache. Für Pausen. Für Pointen.
Er ist ein Klassiker aus der Setzer-Ära – und heute aktueller denn je. Vor allem in einer Welt, in der alles gleich aussieht. Er gibt deinen Texten Charakter. Und Haltung.
Also bitte: Lasst ihm seinen Platz. Er hat ihn sich verdient.